Spuren im Stadtbild – Teil 2
Im ersten Teil dieses Beitrags ging es um die von Mitarbeitern und leitenden Beamten des Krupp-Grusonwerks initiierten frühen sozialen Wohnungsbauprojekte, die bis in die 1920er Jahre geplant und verwirklicht wurden. In unserer Fortsetzung beleuchten wir Bauprojekte, durch die das Krupp-Grusonwerk bis zum Zweiten Weltkrieg neue Wohnräume in Magdeburg schaffte.
Unternehmenseigener Siedlungsbau und Werkswohnungen bis zum Zweiten Weltkrieg
Im Jahr 1932 beginnt das auf mittlerweile über 6.000 Beschäftigte angewachsene Krupp-Grusonwerk mit dem Bau von unternehmenseigenen Wohnungen: der Krupp-Gruson-Siedlung. Dafür nutzt das Unternehmen ein Gelände, das ursprünglich für Werkserweiterungen erworben wurde. Das Areal grenzt im Westen an die Gartenstadt Hopfengarten, die vorwiegend aus Eigentums- und Mietshäusern für Mittelständler besteht und vom privatwirtschaftlich orientierten Allgemeinen Verband deutscher Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vertreten wird. Bebaut wird das Gelände in fünf Bauabschnitten bis zum Jahr 1937. Für die Entwürfe sowie die Bauleitung zeigt sich das Architekturbüro Paul Schaeffer-Heyrothsberge verantwortlich. Der gebürtige Dortmunder Architekt ist zum damaligen Zeitpunkt längst kein Unbekannter mehr in der Stadt, realisierte er doch zuvor den Bau des ersten Magdeburger Hochhauses für den Zeitungsverlag Faber, das heutige Verlagshaus der Magdeburger Volksstimme.
Abb. 1 & 2: Anzeige für die Krupp-Gruson-Siedlung (links) und Wohnungsgrundrisse (rechts).
Der erste Bauabschnitt umfasst 30 Siedlerstellen mit 15 Doppelhäusern am Alfried-Privatweg (heute Heinz-Sommer-Weg) und Claus-Privatweg (heute Rotdornweg). Die Grundstücke werden den Siedlern gegen einen geringen Erbbauzins für 50 Jahre überlassen. Für diesen Zeitraum, dessen Dauer auch verlängert werden kann, sind die Siedler Erbbaupächter von Grund und Boden sowie Eigentümer des Hauses. Je nach Ausstattungsgrad belaufen sich die Baukosten in der ersten Bebauungsphase auf 2.800 bis 3.500 Reichsmark. Im Vergleich dazu verdient ein Arbeiter zum damaligen Zeitpunkt monatlich etwa 140 Reichsmark brutto bzw. 120 Reichsmark netto. Bei den ersten Siedlern handelt es sich um erwerbslose ehemalige Arbeiter des Krupp-Grusonwerks, die im Herbst 1932 ihre neuen Häuser beziehen.
Im Folgejahr wird bereits der zweite Bauabschnitt abgeschlossen, der aus 30 weiteren Parzellen mit 15 Doppelhäusern am Alfried-Privatweg und Irmgard-Privatweg (heute Kiefernweg) besteht. Vollbeschäftigte des Krupp-Grusonwerks können zur Finanzierung eine Lebensversicherung in Höhe von 2.500 Reichsmark bei einer Versicherungsgesellschaft abschließen, die dann wiederum ihren Neukunden ein Darlehen in gleicher Höhe gewährt, für das das Krupp-Grusonwerk die Bürgschaft übernimmt. Möchte man seine Doppelhaushälfte samt Grundstück veräußern, ist dies an die Zustimmung des Unternehmens gebunden, das sich das Vorkaufsrecht vorbehält. Überdies sind die Pächter zu einer Mitgliedschaft im gemeinnützigen Verein Krupp-Gruson-Siedlung e.V. verpflichtet. Zu den Angelegenheiten des Vereins gehören Verwaltungsaufgaben, die Koordination von Arbeiten an den Gemeinschaftsanlagen sowie die Unterstützung von Siedlern in besonderen Fällen.
Abb. 3: Die neu entstehende Krupp-Gruson-Siedlung südlich des Buckauer Werkgeländes.
Der Ausbau der Krupp-Gruson-Siedlung nach 1933 dient vor allem der Bindung von qualifizierten Fachkräften, die für die ansteigende Rüstungsproduktion benötigt werden. Zu diesem Zweck werden 1934 sieben Doppelhäuser am Berthold-Privatweg (heute Ahornweg) erbaut. Während die Siedler der ersten beiden Bauabschnitte ihr Trinkwasser lediglich aus Brunnen beziehen konnten, erfolgt 1936 der Anschluss an das Stadtwasserleitungsnetz. Im Sommer desselben Jahrs wird das Richtfest für den vierten Bauabschnitt gefeiert, der insgesamt 24 Siedlerstellen umfasst. Es entstehen acht Doppelhäuser am Berthold-Privatweg, sechs Einzelhäuser am Harald-Privatweg (heute Hagebuttenweg) und ein Doppelhaus am Irmgard-Privatweg. Abgeschlossen wird die Krupp-Gruson-Siedlung durch 72 neue Siedlerstellen, die im Jahr 1937 entstehen. Sie bieten Platz für Einzel- und Doppelhäuser am Alfried-Privatweg, Berthold-Privatweg, Harald-Privatweg, Egbert-Privatweg (heute Am Hopfengarten) sowie Waltraut-Privatweg (heute Tannenweg).
Abb. 4: Die Bauabschnitte der Krupp-Gruson-Siedlung.
Da die Belegschaft rasant anwächst, beschließt man zur selben Zeit den Bau von Stockwerkwohnungen, um möglichst vielen Werksangehörigen zeitnah erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung stellen zu können. Dafür erwirbt das Maschinenbauunternehmen südlich des Buckauer Werkgeländes ein etwa 19 Hektar großes Grundstück. Entlang der Freien Straße (heute Hopfenbreite) entstehen dort sechs Wohnhäuser mit insgesamt 64 Wohnungen, die ebenfalls vom Architekten Schaeffer-Heyrothsberge entworfen werden. Bei ihnen handelt es sich um Zwei- und Dreizimmerwohnungen mit Wohnküche, Bad, Speisekammer und Klosett. Darüber hinaus gewährt das Krupp-Grusonwerk der Baugesellschaft Darlehen, wodurch im Jahr 1939 noch weitere zehn Wohnungen in der Gartenstadt Reform gesichert werden können. Bis 1940 werden zudem 30 weitere Werkswohnungen in Geschossbauweise in der Cäcilienstraße im heutigen Stadtteil Diesdorf errichtet.
Quellen
Helmut Asmus: 1200 Jahre Magdeburg von der Kaiserpfalz zur Landeshauptstadt, Bd. 3, Die Jahre 1848 bis zur Gegenwart, Magdeburg: Eigenverl. d. Autors, 2005.
Hopfengartenverein KMS 1932 e.V.: Siedlungsgeschichte, https://www.hopfengartenverein.de/wir-%C3%BCber-uns-artikel/siedlungsgeschichte.html (11.03.2020).
Christoph Kretschmann: Vom Grusonwerk zum SKET – 150 Jahre Industriegeschichte, Magdeburg: Delta-D, 2.Aufl., 2007.
Tom Kühne (Buch und Regie): Wo der Stahl gehärtet wurde – Die Maschinenbaustadt Magdeburg, Dokumentation, 45 Min., Produktion: MDR, Ariane-Film GmbH, Reihe: Der Osten – Entdecke wo du lebst, Erstsendung: 14. Januar 2020.
Landeshauptstadt Magdeburg (Hrsg.): Soziale Bauherren und architektonische Vielfalt: Magdeburger Wohnungsbaugenossenschaften im Wandel, Broschüre des Stadtplanungsamts Magdeburg, Magdeburg: 1996, Heft 45.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: ZAS
Abb. 2: Christoph Kretschmann: Vom Grusonwerk zum SKET – 150 Jahre Industriegeschichte, Magdeburg: Delta-D, 2.Aufl., 2007, S. 68.
Abb. 3: ZAS
Abb. 4: Hopfengartenverein KMS 1932 e.V.